Die diffusere Herzinfarkt-Symptomatik kann auch einer der Gründe dafür sein, dass Frauen mit dem lebensrettenden Notruf 112 zögern. Foto: PheelingsMedia/stock.adobe.com

Frauenherzen schlagen anders – Diffuse Herzinfarkt-Warnsignale

Frauenherzen schlagen anders. Aber wie machen sich die Geschlechterunterschiede bei Herzinfarkt, Herzschwäche oder Bluthochdruck bemerkbar? Und was sollten Frauen für die Diagnose, Therapie und Vorsorge beachten?  

Geht es bei Frauen um Gesundheitsrisiken, dann stehen oftmals Krebserkrankungen wie Brustkrebs im Vordergrund, vermeldet das DeutscheGesundheitsPortal. Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden bei Frauen immer noch unterschätzt, dabei sind diese Erkrankungen mit über 180.000 Sterbefällen im Jahr 2021 die häufigste Todesursache bei Frauen. Am häufigsten sterben Frauen an der koronaren Herzkrankheit (KHK) mit über 52.200 Sterbefällen (2021), darunter rund 18.000 am Herzinfarkt, der längst keine „Männerkrankheit“ darstellt.

Geschlechterbezogenen kardiologischen Unterschiede

„Auch bei Frauen sind Herzkrankheiten wie die Herzschwäche und die koronare Herzkrankheit der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen und vorzeitigen Tod“, warnt der Kardiologe Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Herzerkrankungen und ihre Komplikationen wie der Herzinfarkt können in der Symptomatik und in ihrer Entstehung je nach Geschlecht verschieden sein. Auf diese Besonderheiten müssen wir Frauen aufmerksam machen und für gezielte Vorsorge-Maßnahmen sensibilisieren“, betont Voigtländer anlässlich der Initiative Go Red for Women® der US-amerikanischen Herzgesellschaft (American Heart Association, AHA). Die Herzstiftung nimmt die Initiative der AHA zum Anlass, um auch hierzulande Frauen für ihr Herz zu sensibilisieren, mit Infos unter www.herzstiftung.de/frauenherzen

Die Gendermedizin beschäftigt sich gezielt mit der Erforschung von geschlechterbezogenen kardiologischen Unterschieden: zum Beispiel bei Krankheitssymptomen, beim Stoffwechsel, dem Hormon-, Immun- oder dem Gefäßsystem sowie den Unterschieden hinsichtlich des Alters und der Genetik. Medikamente können je nach Geschlecht anders wirken und bestimmte Eingriffe im Ergebnis verschieden ausfallen. Deshalb sollten Medikamente und Therapieverfahren gleichermaßen an Frauen wie Männern erprobt werden (häufig nicht der Fall).

Über solche Unterschiede und ihre Wechselwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und weitere wichtige Themen rund um die Herzgesundheit bei Frauen wie die Vorsorge informiert die Herzstiftung auch in Form von Ratgebern und Podcasts die kostenfrei unter Telefon 069-955128-400 angefordert bzw. unter www.herzstiftung.de/podcasts abgerufen werden können.

Herzinfarkt-Warnsignale: Symptome werden verschieden wahrgenommen

Was Frauenherzen so besonders macht, zeigt sich am Beispiel Herzinfarkt (keineswegs eine reine Männerkrankheit): Der Herzinfarkt bei Frauen ist anhand der Symptome oftmals nicht so klar zu erkennen wie bei Männern. „Häufiger als bei Männern können bei Frauen weniger eindeutige Symptome auftreten, etwa Atemnot, ein Ziehen in den Armen, unerklärliche Müdigkeit, Angstzustände, Schweißausbruch, Übelkeit oder Erbrechen, Schmerzen im Oberbauch oder im Rücken“, erklärt die Kardiologin Prof. Dr. med. Christiane Tiefenbacher vom Vorstand der Herzstiftung. Bei Frauen kommt es häufig vor, dass der typische Brustschmerz als Hauptsymptom des Herzinfarkts nicht im Vordergrund steht wie bei den Männern, sondern andere Symptome. Informationen: www.herzstiftung.de/herzinfarkt-frauen-symptome

Gefährlich: Frauen warten bei Herzinfarkt oft mit dem Notruf 112

Die diffusere Herzinfarkt-Symptomatik kann auch einer der Gründe dafür sein, dass Frauen mit dem lebensrettenden Notruf 112 zögern und nicht rechtzeitig in eine Klinik kommen. Dabei zählt beim Herzinfarkt jede Minute. Eine polnische Studie hatte gezeigt, dass besonders jüngere Frauen mit Herzbeschwerden berufliche Verpflichtungen oder die Sorge um die Kinder voranstellen, bevor sie auf die Symptome reagieren. Eine von der Herzstiftung geförderte Untersuchung („MEDEA“-Studie) konnte zeigen, dass Frauen, besonders ältere über 65 Jahren, bei ersten Herzinfarkt-Symptomen häufiger deutlich länger als Männer zögern, bis sie den Rettungsdienst (112) rufen und in eine Notaufnahme kommen.

Allerdings können die atypischen Infarktsymptome auch ein Alterseffekt sein, so dass ein fehlender Brustschmerz, Übelkeit und Erbrechen auch bei Männern über 65 Jahren gehäuft vorkommen kann, wie die MEDEA-Studie gezeigt hat.  „Bei Frauen über 65 Jahren steigt das Herzinfarktrisiko. Doch auch jüngere Frauen zwischen 40 und 50 sind der Gefahr ausgesetzt – vor allem dann, wenn in der Familie häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgetreten sind oder wenn ein ungesunder Lebensstil durch Bewegungsmangel, Rauchen, Übergewicht, Dauerstress oder eine Hormontherapie das Infarktrisiko erhöhen“, betont die Chefärztin der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Marienhospital Wesel.

Beim Broken-Heart-Syndrom, auch Stress-Kardiomyopathie genannte Herzmuskelerkrankung, die bei Frauen viel häufiger vorkommt, wird die Einschränkung der Herzleistung nicht wie beim Herzinfarkt durch ein vollständig verstopftes Herzkranzgefäß (Thrombus), sondern in den meisten Fällen durch ein stark belastendes emotionales Ereignis wie Tod eines Angehörigen, plötzliche Trennung, extreme Stressbelastung verursacht.

Störung der Füllungsphase bei Frauenherzen

Weibliche Herzen unterscheiden sich auch in Größe und Pumpleistung von männlichen. Das spiegelt sich in der Form der Herzschwäche (Herzinsuffizienz) wider. Frauenherzen sind in der Regel kleiner, steifer und weniger elastisch als männliche Herzen und können sich schlechter dehnen und mit Blut füllen. Ausgeglichen wird das über eine höhere Pumpleistung. Werden Frauen älter, nimmt dieser anatomische Effekt zu.

So verliert das Herz mit zunehmendem Alter an Größe, zum anderen kommt es in den Wechseljahren neben Blutdrucksteigerungen auch zu einer vermehrten Bildung von Bindegewebe im Herzen. Das Herz verliert weiter an Elastizität. Diese Dehnungsstörung des Herzens wirkt sich als Störung der Füllungsphase (Diastole) mit Blut aus. Diese sogenannte diastolische Herzschwäche ist bei Frauen häufiger.

„Frauen sollten – ebenso wie Männer – bei Symptomen wie Atemnot, Müdigkeit und einer Unfähigkeit, sich zu belasten unbedingt zur Kardiologin oder zum Kardiologen und einen Ultraschall des Herzens vornehmen lassen“, rät Prof. Dr. med. Vera Regitz-Zagrosek, Kardiologin und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung. Sowohl die diastolische Herzschwäche als auch die Herzschwäche als Folge eines Herzinfarkts werden durch Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, hohe Blutfettwerte (hohes LDL-Cholesterin), Diabetes und Bluthochdruck sowie Schwangerschafts-Komplikationen vor vielen Jahren begünstigt.

Frauen sollten daher diese Risikofaktoren für Herzinfarkt und Herzschwäche durch einen aktiven und gesunden Lebensstil soweit möglich bekämpfen und dies regelmäßig bei ihrer Ärztin oder ihrem Arzt kontrollieren lassen. Auch sollten sie unklare Belastungszustände wie Leistungsschwäche und Unwohlsein abklären lassen“, betont die Seniorprofessorin „Gender in Medicine“ (GIM) an der Charité Universitätsmedizin Berlin.

Bluthochdruck bei Frauen besonders nach der Menopause

Die Wechseljahre (Menopause) wirken sich auf die Entstehung des Bluthochdrucks aus. In Deutschland haben über 20 Millionen Erwachsene Bluthochdruck. Mehr als die Hälfte der 60- bis 69-jährigen Frauen haben Bluthochdruck. Wenn Frauen in die Wechseljahre kommen, verdoppelt sich ihr Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, weil der Östrogenspiegel im Blut in der Menopause sinkt. Das weibliche Geschlechtshormon sorgt dafür, dass die Gefäße elastisch bleiben, wirkt blutdrucksenkend und schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Bei vielen Frauen in und nach den Wechseljahren kommen Übergewicht, Ängste und Schlafstörungen als weitere Risiken dafür hinzu, Bluthochdruck zu entwickeln. „Frauen sollten wachsam für ihren Blutdruck sein und ihn regelmäßig beim Arzt messen lassen oder ihn selbst messen“, rät Kardiologe Prof. Voigtländer und betont: „Ein nicht ausreichend behandelter Bluthochdruck ist eines der gefährlichsten Risiken für Schlaganfall, Herzinfarkt und andere schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ Info zur Blutdruckmessung: www.herzstiftung.de/blutdruck-messen

Bluthochdruck bei jungen Frauen wegen „der Pille“

Auch junge Frauen sind nicht vor einem Bluthochdruck gefeit. Fünf bis zehn Prozent der Schwangeren entwickeln im Laufe der Schwangerschaft einen Bluthochdruck. Bluthochdruck in der Schwangerschaft ist der Hauptgrund von Erkrankungen und Sterblichkeit sowohl der Mutter als auch des ungeborenen und neugeborenen Kindes. In einer 2020 in „Hypertension“ veröffentlichten Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung haben Wissenschaftler Hinweise darauf gefunden, dass sich ein erhöhter Blutdruck in der Schwangerschaft insbesondere auf den weiblichen Nachwuchs überträgt.

Frauen, die zur Verhütung „die Pille“ einnehmen, die eine Kombination von Östrogen und Progesteron, enthält, können einen Bluthochdruck entwickeln. Progesteron ist das in den Eierstöcken gebildete Gelbkörperhormon, das vor allem den Menstruationszyklus, die Schwangerschaft sowie die Entwicklung des Embryos regelt. „Ungefähr fünf Prozent der Frauen, die ein solches Kombinationspräparat einnehmen, reagieren mit einem bedeutsamen Blutdruckanstieg“, sagt die Kardiologin Dr. med. Christa Bongarth vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung und Ärztliche Direktorin der Klinik Höhenried.

„Frauen, die die Pille einnehmen und außerdem übergewichtig sind, tragen ein zwei- bis dreifach hohes Risiko für Bluthochdruck.“ Liegen gleichzeitig mehrere Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Rauchen oder Übergewicht vor, sollten Frauen keine oralen Kontrazeptiva einnehmen, sondern andere Verhütungsmethoden verwenden, so die Ärztin.