
Bisher basierte die Beurteilung von Parkinson-Symptomen wie dem Zittern vor allem auf subjektiven Beobachtungen von Neurologen. Durch den Einsatz von KI-Algorithmen zur Videoanalyse können die motorischen Symptome deutlich präziser und objektiver erfasst werden. Foto: Andrey Popov/stock.adobe.com
KI-basierte Videoanalyse: Revolution für Diagnose und Verlaufsbeurteilung der Parkinson-Krankheit
Für seine Forschungsarbeiten zur KI-basierten Videoanalyse in der Neurologie, insbesondere bei Bewegungsstörungen wie der Parkinson-Krankheit, wurde Dr. Maximilian U. Friedrich, Assistenzarzt und Wissenschaftler an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW), auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Berlin ausgezeichnet. Er erhielt den mit 50.000 Euro dotierten „NeuroTech-Innovationspreis“ der Manfred und Ursula Müller-Stiftung und der DGN. Bahnt sich hier eine Revolution in Diagnose und Verlaufsbeurteilung der Parkinson-Krankheit an?
Erstmals NeuroTech-Innovationspreis verliehen
Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht autonomes Fahren und die automatische Gesichtserkennung beim Entsperren des Smartphones, sie erleichtert industrielle Inspektionen wie die Qualitätskontrolle, aber auch die medizinische Bildanalyse. Die Rede ist von der Computer Vision Algorithmik – einer Sammlung von Algorithmen, die es Computern ermöglicht „zu sehen“ und visuelle Informationen zu verstehen. Ein Team um Dr. Maximilian Friedrich von der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) hat sich die Technologien des maschinellen Sehens zu eigen gemacht, um die Diagnose und Verlaufsbeurteilung der Parkinson-Krankheit zu revolutionieren, an der weltweit mehr als 11 Millionen Menschen leiden.
Für sein Forschungsprojekt mit dem Titel „Nutzung von Computer Vision Algorithmik zur präzisen Charakterisierung der Schwere der Parkinsonerkrankung sowie ihres Ansprechens auf die medikamentöse und Hirnstimulationstherapie“ wurde Maximilian Friedrich beim DGN-Jahreskongress mit dem erstmals vergebenen „NeuroTech-Innovationspreis“ ausgezeichnet. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis soll künftig alle zwei Jahre junge Wissenschaftler auszeichnen, die an der Entwicklung unkonventioneller, innovativer und kollaborativer KI-Technologien für klinische und translationale Anwendungen arbeiten.
Smartphone-basierter Symptomtracker
„Bisher basierte die Beurteilung von Parkinson-Symptomen wie Zittern und verlangsamten Bewegungen vor allem auf subjektiven und bestenfalls semi-quantitativen Beobachtungen von Neurologinnen und Neurologen“, berichtet Maximilian Friedrich. „Durch den Einsatz von KI-Algorithmen zur Videoanalyse können wir nun die motorischen Symptome unserer Patientinnen und Patienten deutlich präziser und objektiver erfassen.“
Zur Erfassung der motorischen Bewegungen werden lediglich handelsübliche Geräte wie Smartphones benötigt. Die Technologie erlaubt es, automatisch Bewegungsmuster in Videoaufnahmen zu erkennen, die sich manchmal auch der gewöhnlichen Beobachtung durch Experten entziehen können. Durch die genauere Zustandsbeschreibung lässt sich nicht nur der Schweregrad der Erkrankung besser messen, sondern auch der Erfolg von medikamentösen Therapien und der Tiefen Hirnstimulation genauer beurteilen, was insbesondere für personalisierte Behandlungsansätze wegweisend sein könnte.

KI-System kann klinische Praxis verbessern
„Ein KI-gestütztes System hat das Potenzial, die klinische Praxis zu verbessern, Diagnosen zu präzisieren und die Erforschung neurologischer Erkrankungen entscheidend voranzubringen“, resümiert Friedrich, der die Methode in den nächsten Schritten bis zur Erprobung im klinischen Alltag weiterentwickeln will.
Das Preisgeld soll ihm dabei helfen, eine eigene Arbeitsgruppe zu den Themen KI und digitale Anwendungen in der Neurologie zu etablieren.
Das multidisziplinäre Projekt wird eng eingebettet in das rasch wachsende Forschungsumfeld der Neurologischen Klinik des UKW unter der Leitung von Professor Dr. Jens Volkmann und vereint lokale Partner aus der Würzburger Universitätsmedizin (unter anderem die Arbeitsgruppen von Dr. Robert Peach, Prof. Dr. Daniel Zeller, Prof. Dr. Rüdiger Pryss) mit internationalen Kollaborationen. Zu diesen zählen Experten aus der angewandten Mathematik und Computerwissenschaft (Profs. David Wong und Samuel Relton, University of Leeds), der klinischen Softwareentwicklung (unter anderen Prof. Dr. Jane Alty, University of Tasmania, Australien, und Prof. Ryan Roemmich, Johns Hopkins University, USA) sowie der Neurodegenerationsforschung (unter anderen Prof. Vikram Khurana, Brigham and Women’s Hospital, Boston, USA).
Weitere Informationen unter
Publikation im Journal of Neurology: Smartphone video nystagmography using vonvolutional neural networks: ConVNG
Publikationen im npj Digital Medicine: Validation and application of computer vision algorithms for video-based tremor analysis und Head movement dynamics in dystonia: a multi-centre retrospective study using visual perceptive deep learning
Morbus Parkinson – über 400.000 Betroffene in Deutschland
Die Parkinson-Krankheit ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. In Deutschland sind laut Krankenkassendaten über 400.000 Menschen betroffen, mit deutlich wachsender Tendenz.
Wie das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) berichtet, sind die häufigsten und bekanntesten Symptome der Parkinson-Krankheit das Zittern, auch Tremor genannt, sowie verlangsamte und verminderte Bewegungen. Die Frühphase der Erkrankung unterscheidet sich von dem bekannteren Krankheitsbild im späteren Stadium: Als frühe Krankheitsanzeichen können Depressionen, Schlafstörungen, Verstopfung, Störungen des Geruchssinns, eine leisere, monotone Stimme oder das fehlende Mitschwingen eines Armes beim Gehen auftreten. Erst mit der Zeit werden die klassischen Hauptsymptome deutlicher. Bei manchen Patienten treten bei fortschreitender Krankheit auch Symptome einer Demenz auf.
Grund für die Symptomatik ist der Verlust von Nervenzellen in der Substantia Nigra, einem Bereich im Hirnstamm, und ein damit einhergehender Mangel am Botenstoff Dopamin. Weshalb die Zellen zugrunde gehen, ist nicht endgültig geklärt.
Parkinson tritt zumeist im höheren Erwachsenenalter auf: Die große Mehrzahl der Betroffenen ist mindestens 60 Jahre alt. Insgesamt gibt es etwa 50 Prozent mehr männliche als weibliche Parkinson-Patienten. Der Grund dafür ist ebenfalls bislang unklar.
Morbus Parkinson ist bislang nicht heilbar. Mit geeigneten Therapien lässt sich die Krankheit jedoch oft über Jahre hinweg gut kontrollieren. Eine wichtige Rolle spielt die medikamentöse Behandlung.
Mehr dazu lesen Sie auf der Parkinson-Infoseite der DZNE.