
Deutschland zählt mit 12,2 Liter Alkohol pro Kopf und Jahr international als Hochkonsumland. Die weltweit durchschnittliche Alkoholtrinkmenge beträgt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur 5,5 Liter Alkohol pro Kopf und Jahr. Foto: Drazen/stock.adobe.com
Ernährungsspezialisten warnen: Es gibt keine risikofreie Alkoholmenge – Deutsche trinken viel zu viel
Ob im Biergarten, bei Partys, gesellschaftlichen Anlässen oder Familienfeiern – in Deutschland ist es üblich, Alkohol zu trinken. Was dabei oft in den Hintergrund rückt: Alkohol ist ein Zellgift. Einen risikofreien Alkoholkonsum gibt es nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) empfiehlt daher, keinen Alkohol zu trinken.
Es gibt keinen risikofreien Alkoholkonsum
Diese Empfehlung ist nicht neu. Sie wurde im DGE-Positionspapier zu Alkohol vom August 2024 bekräftigt und konkretisiert. Lange galt Alkohol in Maßen als akzeptabel. Ein abendliches Glas Bier oder Wein wurde mit einer etwas geringeren Sterblichkeitswahrscheinlichkeit in Verbindung gebracht – bezeichnet als das so genannte „French Paradox“. Das DGE-Positionspapier ersetzt den bisher herausgegebenen Referenzwert für die Alkoholzufuhr. Die Daten zeigen, dass es keine risikofreie Menge für einen unbedenklichen Konsum gibt. Selbst geringe Mengen können das Risiko für verschiedenste Krankheiten erhöhen und damit die Gesundheit gefährden.
„Die DGE empfiehlt daher, auf alkoholische Getränke zu verzichten. Wer dennoch Alkohol trinkt, soll vor allem hohe Alkoholmengen und Rauschtrinken vermeiden. Das gilt insbesondere für junge Menschen. Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende sollen auf Alkohol generell verzichten“, sagt Dr. Kiran Virmani, Geschäftsführerin der DGE.
Menschen in Deutschland trinken im weltweiten Vergleich extrem viel
Dass Deutschland im internationalen Vergleich mit 12,2 Liter Alkohol pro Kopf und Jahr als Hochkonsumland zählt, belegen Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die durchschnittlich konsumierte Alkoholmenge ist in Deutschland damit mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche Trinkmenge von weltweit 5,5 Liter Alkohol pro Kopf und Jahr.
Alkoholgenuss macht krank und lähmt das soziale Leben
Alkohol trinken steht im Zusammenhang mit mehr als 200 verschiedenen negativen gesundheitlichen Folgen wie Krankheiten und Unfällen. Neben den kurzfristigen Auswirkungen von Alkoholkonsum, die Unfälle, Verletzungen und Gewalt begünstigen, erhöht er unter anderem das Risiko für die Entstehung von Krebserkrankungen, vor allem Brust- und Dickdarmkrebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Bluthochdruck und Lebererkrankungen. Mit 7 kcal/g ist der Energiegehalt von Alkohol fast so hoch wie der von Fett mit 9 kcal/g. Vor allem riskante Alkoholmengen und das Rauschtrinken verringern die Lebensqualität und erhöhen das Risiko für Krankheiten und vorzeitigen Tod.
Die Konsequenz daraus: Es gibt keine risikofreie Alkoholmenge, daher sollten Menschen keinen oder möglichst wenig Alkohol trinken. Vor allem junge Menschen profitieren gesundheitlich von einem Verzicht auf Alkohol. Was tun?
- Den Konsum großer Mengen Alkohol sowie Rauschtrinken in jedem Fall vermeiden.
- Keinen Alkohol für Kinder und Jugendliche: Die akute Neurotoxizität hat potenzielle negative Auswirkungen auf die physische sowie kognitive Entwicklung und birgt das Risiko für späteren riskanten Alkoholkonsum sowie von Alkoholgebrauchsstörungen.
- Schwangere und Stillende sollen aufgrund der Toxizität für den Fetus sowie den Säugling bzw. das Kleinkind keinen Alkohol trinken.
- Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, die durch Alkoholkonsum ausgelöst oder verstärkt werden können, sowie Personen, die Medikamente einnehmen, sollen aufgrund möglicher unerwünschter Wechselwirkungen keinen Alkohol konsumieren.
- Menschen, die bisher keinen Alkohol trinken, empfiehlt die DGE, abstinent zu bleiben, da jeglicher Konsum das Risiko für gesundheitliche Schäden erhöht.
Sind Gesundheit und Leistungsfähigkeit durch Alkoholkonsum beeinträchtigt, kann dies zu finanziellen Problemen bis hin zu sozialer Ausgrenzung führen. Alkoholbelastete Familien haben häufig einen niedrigeren sozioökonomischen Status. Kinder dieser Familien sind meist schlechter in der Schule und häufiger sozial ausgegrenzt oder stigmatisiert. Alkoholkonsum in Deutschland verursacht erhebliche gesellschaftliche Kosten von insgesamt rund 57 Milliarden Euro pro Jahr. Auf die Behandlung von alkoholbedingten Erkrankungen sowie Arbeitsunfähigkeit, Rehabilitation und anderes mehr entfallen 16,6 Milliarden Euro, für Personen- und Sachschäden sowie Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung und weiteres mehr etwa 40 Milliarden Euro.

Vier Punkte aus dem FAQ zum DGE-Positionspapier
Einen schnellen Überblick zu wichtigen Aspekten zu Alkohol, wie den Risiken und wissenschaftlichen Hintergründen der neuen Handlungsempfehlungen, geben 17 Fragen und Antworten, die die DGE nun auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat. Hier finden lesen Sie die wichtigsten vier Punkte.
1 – Hat sich die Position der DGE zu Alkohol grundlegend geändert?
Nein. Im Jahr 2000 gab die DGE gemeinsam mit der österreichischen und der schweizerischen Gesellschaft für Ernährung einen Richtwert für die maximal tolerierbare Alkoholzufuhr für Männer von 20 g/Tag und für Frauen von 10 g/Tag heraus. Dieser Wert war ausdrücklich nicht als Aufforderung zu verstehen, täglich Alkohol zu trinken. Bereits damals betonte die DGE, dass kein Schwellenwert genannt werden kann, ab dem schädliche Wirkungen von Alkohol mögliche positive Effekte übertreffen. Außerdem wies die DGE darauf hin, dass ein Konsum von Alkohol zum Schutz vor Herzinfarkt nicht zu empfehlen sei, da die negativen Wirkungen des chronischen Alkoholkonsums im Vergleich zu den positiven Effekten überwiegen. Da Alkohol weder ein essenzieller noch ein empfehlenswerter Nährstoff ist, wurden die Referenzwerte durch das aktuelle DGE-Positionspapier abgelöst – mit der Empfehlung „am besten Null Promille“.
2 – Ist wirklich jeder Schluck Alkohol riskant?
Da es keine Menge Alkohol gibt, bei der gesundheitliche Folgen sicher ausgeschlossen werden können, empfiehlt die DGE alkoholische Getränke möglichst zu meiden. Welche Alkoholmengen bei einzelnen Personen das Risiko für verschiedene Krankheiten erhöhen, lässt sich nicht pauschal beurteilen. Daher gibt es folgende Handlungsempfehlungen für einen Alkoholkonsum mit einem geringen bzw. moderaten Risiko für gesundheitliche Folgen:
- risikoarmer Konsum für gesunde, nicht schwangere oder stillende Erwachsene: 1 bis 2 kleine Flaschen oder kleine Gläser alkoholischer Getränke pro Woche (< 27 g Alkohol/Woche)
- Konsum mit moderatem Krankheitsrisiko: mehr als 2 bis 6 alkoholische Getränke (z. B. bis zu 2 Liter Bier) pro Woche (27–81 g Alkohol/Woche)
- hohes Risiko: mehr als 6 alkoholische Getränke (z. B. mehr als 825 ml Wein) in der Woche (> 81 g Alkohol/Woche)
3 – Wie kommen die Angaben für einen risikoarmen und moderaten Alkoholkonsum zustande?
Die Angaben für den Alkoholkonsum pro Woche mit geringem beziehungsweise moderatem Gesundheitsrisiko basieren auf Berechnungen einer kanadischen Arbeitsgruppe. Ziel der Berechnung war es, die Menge an Alkohol mit dem geringsten gesundheitlichen Risiko zu ermitteln. In ihrer Analyse berücksichtigten sie Daten aus 16 systematischen Reviews mit Metaanalyse zu verschiedenen Krankheiten sowie Unfällen und Verletzungen. Als risikoarmer Konsum gilt demnach die Menge Alkohol, aufgrund der eine von 1000 Personen vor dem 75. Lebensjahr verstirbt oder für 17,5 Jahre erkrankt. Bei der Alkoholmenge mit moderatem Risiko gelten diese Bedingungen bei einer von 100 Personen.
4 – Gibt es auch positive Wirkungen von Alkoholkonsum?
Alkohol, besonders Rotwein, wird bei einigen Krankheiten auch positive Wirkungen zugeschrieben. Der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gesundheit ist komplex. Auch wenn für einige Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Demenz und Nierenkrebs ein teilweise risikosenkender Effekt bei geringem bis moderatem Alkoholkonsum beobachtet werden kann, erhöht dieselbe Alkoholmenge gleichzeitig das Risiko für beispielsweise Brust- und Darmkrebs sowie Bluthochdruck und Lebererkrankungen. Vor allem der Konsum riskanter Alkoholmengen und Rauschtrinken reduzieren die Lebensqualität und erhöhen das Krankheits- sowie Sterberisiko. Nicht zu vernachlässigen sind zudem die Suchtgefahr und die sozialen Folgen eines langfristigen Alkoholkonsums.
Bessere Alkoholprävention in Deutschland gefordert
Zwar existieren bereits eine Vielzahl an Präventionskampagnen und -programmen hierzulande, im internationalen Vergleich ist Deutschland in der Umsetzung der Maßnahmen allerdings unterdurchschnittlich, zum Beispiel bei der Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol oder bei Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer. Dies und der resultierende hohe Alkoholkonsum trägt mit dazu bei, dass die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern mit hohem Einkommen niedriger ist.
Um das gesellschaftliche Bewusstsein für die gesundheitlichen Risiken des Alkoholkonsums zu verbessern und den Alkoholkonsum, alkoholbedingte Gesundheitsprobleme sowie die alkoholbedingte Sterblichkeit und negative soziale Folgen zu reduzieren, ist eine Kombination verschiedener Maßnahmen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention („policy mix“) erforderlich. Haupthandlungsfelder in der Verhältnisprävention sind beispielsweise eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Alkohol, beziehungsweise ein begrenzter Zugang zu Alkohol zum Beispiel durch räumliche oder zeitliche Beschränkungen, Werbebeschränkungen, verbessertes Screening und Beratung im Gesundheitssystem für Menschen mit hohem Alkoholkonsum.
Info
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) ist ein gemeinnütziger Verein mit rund 4000 Mitgliedern und Sitz in Bonn sowie Sektionen in sechs Bundesländern. Sie arbeitet seit ihrer Gründung 1953 unabhängig und der Wissenschaft verpflichtet. Die Finanzierung der DGE erfolgt durch Bundesmittel, Mitgliedsbeiträge und Eigeneinnahmen. pm/tok